Begegnung schaffen – Voneinander lernen – Perspektiven eröffnen: 10 Jahre „Bildungspatenschaften“ in Dresden

Im Jahr 2008 wurde das Projekt „Bildungspatenschaften“ ins Leben gerufen. Seitdem vermittelt der Ausländerrat Dresden e.V. ehrenamtliche Patenschaften an Kinder, junge Menschen und deren Familien mit Migrations- und Fluchterfahrung in Dresden. Das Projekt trägt dazu bei, diese jungen Menschen in ihrer sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe zu stärken, sie beim Ankommen und in ihrer schulischen Entwicklung zu fördern und sie beim Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen. Aus diesem Anlass lädt der Ausländerrat Dresden e.V./Projekt „Bildungspatenschaften“ zu einem kleinen Empfang ein, am 5.12.2018, 17 bis 19 Uhr, im Internationalen Begegnungszentrum (IBZ; Heinrich-Zille-Straße 6, 01219 Dresden).

Das Projekt „Bildungspatenschaften“ des Ausländerrat Dresden e.V. startete im Dezember 2008 als von Ehrenamtlichen und Praktikant*innen begleitete Hausaufgabenhilfe. Schnell wurde klar, dass es um mehr Themen als nur Hausaufgaben geht und, dass sowohl die Kinder, Jugendlichen und Familien ebenso wie die Pat*innen kontinuierliche Ansprechpartner*innen brauchen.
Ehrenamtliche Pat*innen im Projekt „Bildungspatenschaften“ tragen mit dazu bei, dass Kinder und Jugendliche schneller die deutsche Sprache lernen, ihre schulischen Leistungen verbessern und einen Schulabschluss erlangen können. Die Pat*innen eröffnen somit neue Perspektiven im oft als restriktiv erlebten Schulalltag. Sie gleichen Benachteiligungen aus, die es den Kindern und Jugendlichen oft schwer machen, chancengleich am Schulunterricht teilzunehmen.
Unter dem Motto „Begegnung schaffen – Voneinander lernen – Perspektiven eröffnen“ übernehmen ehrenamtliche Pat*innen individuelle Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit Migrations- und/oder Fluchterfahrung. Zwar ist der Anlass einer Bildungspatenschaft die Unterstützung im schulischen Bereich, es geht aber nicht nur um Vermittlung von Wissen, sondern z.B. auch um gegenseitiges (Kennen-)Lernen, darum Kinder und Jugendliche in dem, was sie sind und dem, was sie werden wollen zu stärken. Hinter den aktuellen ca. 120 Bildungspatenschaften verbergen sich dementsprechend 120 individuelle Begegnungen. Bildungspatenschaften haben viele Gesichter: So werden in einer Bildungspatenschaft die Familien von Pat*innen und Kindern zu Freunden und unternehmen gemeinsam Aktivitäten, werden ältere Pat*innen zu ‚Ersatz-Omas‘ und ‚Ersatz-Opas‘, finden mitunter traumatisierte junge Menschen und Eltern Unterstützung und Lebensmut durch positive Erfahrungen, finden junge Menschen, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind vertrauensvolle Ansprechpersonen im Alltag. Solche und viele andere Begegnungen und Geschichten erleben wir im Projekt „Bildungspatenschaften“. Zivilgesellschaftliches Engagement ist damit – das zeigt sich deutlich – eine enorme Chance zum Lernen für beide Seiten. Ehrenamt verdient hier die größte Anerkennung, gerade in Zeiten in denen der gesellschaftliche Ton gegenüber Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung – und manchmal auch gegenüber jenen, die sie aufnehmen und sie unterstützen wollen – rauer wird.
Nach 10 Jahren Projekterfahrung stellen wir aber auch fest: Obwohl regelmäßig neue Ehrenamtliche zu uns kommen, reicht deren Anzahl nicht aus, um alle Kinder und Jugendliche von unserer Warteliste zu vermitteln. Die Schwierigkeiten mit denen Kinder und Jugendliche zu uns kommen, sind nicht individuelle Defizite oder Probleme von Einzelnen. Dahinter stehen – wie auch ein Fachaustausch mit schulischen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in diesem Jahr zeigte – viele strukturelle Probleme und Benachteiligungen, die durch Bildungspatenschaften nur teilweise ausgeglichen werden können. Seien es die teilweise überfordernden Lebenssituationen in einem Alltag, der von asylrechtlichen Regeln bestimmt wird, traumatischen Erfahrungen, Rassismus, oder eben die Regelstrukturen, die – trotz dem Bemühen von vielen Lehrer*innen u.a.– nach wie vor noch nicht ausreichend auf Schüler*innen mit Migrations- und Fluchterfahrungen eingestellt sind. Hier muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass ehrenamtliches Engagement eine wunderbare Ergänzung ist, aber nicht zum Lückenfüller werden darf, gerade, wenn es um ein gutes Aufwachsen und chancengleiche Bildung für alle Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland leben, geht.
Nach 10 Jahren Projekterfahrung ziehen wir folgende Bilanz: Ehrenamtliches Engagement ist eine unschätzbare, gesellschaftliche Ressource und bleibt für Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung wichtig, um Lebensperspektiven in einem schwierigen Alltag verfolgen zu können und, um gelingende Begegnungen und ein gutes Zusammenleben in Dresden zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen sich Regelstrukturen von Schulen auf eine diverse Gesellschaft einlassen und sich weiterentwickeln.